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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wozu dient eine Definition?



Mick Baxter
01.07.2018, 05:31
Reicht nicht einfach eine Beschreibung der typischsten Erscheinungsformen?

Das COMIC!-Jahrbuch ist keine wirklich wissenschaftliche Publikation. Deshalb erscheint es mir sinnvoll zu erklären, warum eine präzise Definition von "Comic" von Vorteil ist.

Wer traut sich?

Lukas Wilde
01.07.2018, 11:05
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Christian Bachmann
01.07.2018, 18:33
Ich lese und diskutiere gerne mit, da ich aber für meine eigene Forschungsarbeit mit meiner Definition nah bei Alexander Brauns bin und jenseits meiner Arbeit Lukas Wilde unbedingt zustimme, warte ich erst einmal auf Gegenrede. :)

Christian Muschweck
01.07.2018, 22:00
Für mich ist Alexander Brauns Ansatz sehr hilfreich. Man kann durchaus sagen, dass ein Comic dann ein Comic ist, wenn er ein Comic ist, also wenn er im Selbstverständnis eines Comics erschienen ist und von den Lesern als Comic aufgefasst wird. Für die Wissenschaft lässt sich dieser Ansatz dann durchaus variieren, so dass man je nach Zielsetzung Vorläufer des Comics mit einbeziehen kann oder nicht. Auch Einbildstrips kann man durchaus als Comic betrachten, wenn es zur Fragestellung passt, aber man darf sie getrost auch ausschließen.

Vermutlich tun sich manche Menschen aber schwer mit so vielen Freiheitsgraden und hätten lieber eine präzise Definition. Ich persönlich ziehe es vor, den Begriff diffus zu halten. "Comic" ist ohnehin ein diffuser, unklarer Begriff. Gleichzeitig steht er aber für ein Spannungsfeld von Darstellungsformen, die sich gerade unter diesem Begriff perfekt bündeln lassen. Viel besser, als es unter Scott McClouds Begriff "Sequentielle Kunst" möglich ist, der ja den Einbild-Strip mehr oder weniger willkürlich ausschließt.

Mick Baxter
02.07.2018, 00:04
Das aber weniger willkürlich als der von Alexander Braun bevorzugte Ansatz, der genaugenommen alle Graphic Novels und viele Mangaserien ausschließt. Und zudem den gesamten deutschen Comicmarkt mit Ausnahme von "Asterix" und "Mecki".

Ich halte Definitionen schon mal für hilfreich, wenn geklärt werden soll, ob man überhaupt von der selben Sache spricht. Da kann es dann auch sich widersprechende geben, man sollte sich dann nur auf eine einigen.

Und dann sollten Definitionen nach Möglichkeit auch bei einem einzelnen Comic greifen, nicht nur bei einer diffusen Gesamtmenge. Dazu mehr an anderer Stelle.

Christian Bachmann
02.07.2018, 16:14
Jede Definition ist ihrem Wesen nach willkürlich, manche wirken nur "natürlicher" als andere. Mick Baxter, du suchst augenscheinlich nach einer ahistorischen (überzeitlichen) Definition, die möglichst viele historische (zeitspezifische) Formen 'graphischer Narration'* umfasst. Solche Definitionen kann man formulieren, sie müssen aber sehr viel Heterogenes umfassen und werden entsprechend vage. Ein Beispiel dafür ist McClouds berühmte Definition. McCloud wählt (willkürlich) die Form des Erzählens als Basis seiner Definition aus: mindestzahl von Panels, Bilder, ggf. Texte, in Kombination etc. pp. Dabei lässt er jedoch manches andere Kriterium weg. Eine Definition könnte zum Beispiel auch das Herkunftsland des Produkts einbeziehen (bspw. Manga = graphische Narration aus Japan), eine andere Definition die Funktion (Comic = unterhaltende seriell produzierte und repzipierte Bilderfolge in Tageszeitungen), die Möglichkeiten sind hier Vielfältig und richten sich allein nach dem Zweck der Definition. Es lohnt sich angesichts einer bestimmten Defintion immer zu fragen, warum sie genau so formuliert wurde, wie sie es wurde. McCloud zum Beispiel benötigt mindestens deshalb eine rein formale Definition, damit er (a) Inhalte und Akteuere ausblenden kann, (b) internationale Beispiele bringen kann (Manga, Comic) und (c) Phänomene unterschiedlicher historischer Provenienz einbeziehen kann. Das ist deshalb wichtig für ihn, weil sein Buch und mithin auch seine Definition politisch motiviert ist: Er möchte Comics nobilitieren, indem er sie zu einer Form stilisiert, die "künstlerisch" genutzt werden kann. Damit kann er übergehen, dass diese Form zum Zeitpunkt der Formulierung seiner Definition überwiegend gerade nicht "künstlerisch" genutzt wurde. Indem er "Comics" (als Kanne) von ihren Inhalten (als Getränk in der Kanne) trennt, muss er zum Beispiel nicht darauf eingehen, dass viele Comics erzählerisch und inhaltlich schrott sind. Vgl. Lukas Hinweis dazu, dass Definitionen Ausschließmechanismen sind. Es ist natürlich legitim, das so zu machen. Ich würde aber als Gegenposition entgegenhalten, dass viele Charakteristika von Comics entwickelt wurden, um bestimmte Inhalte graphisch darzustellen. (In meinem Buch über Musik im Comic habe ich versucht, das an wenigen Beispielen zu zeigen. Ein Buch zu weiteren Beispielen kommt demnächst.)

* Graphische Narration/graphic narrative ist ein Begriff, der in jüngerer Zeit als Oberbegriff herangezogen wurde, um darunter verschiedene historische Ausprägungen zu subsummieren. Er wäre womöglich einen eigenen Thread wert.

Lukas Wilde
03.07.2018, 07:18
Du hast das viel schöner erklärt als ich, Christian... ich finde es auch immer wieder bemerkenswert, dass an dieser Stelle so häufig ein Bedürfnis nach "klaren Kriterien" und "eindeutiger Verständigung" artikuliert wird, wofür ich grundsätzlich allergrößtes Verständnis habe. Aber vielleicht ist es hilfreich, auch nochmal kurz über den Unterschied von sogenannter "ordinary language" und einem "terminus technicus", einem Fachbegriff, nachzudenken.

Ein Begriff - wie "Comic" - ist zunächst mal eine Unterscheidung. Indem wir einen Begriff auf einige Gegenstände anwenden und auf andere nicht, klassifizieren wir damit alle diejenigen Gegenstände, auf die wir ihn anwenden, und unterscheiden sie damit zugleich von denjenigen, auf die wir ihn nicht anwenden. Es spräche nichts dagegen, einen Begriff für alle Gegenstände vorzuschlagen, die man in einem Fahrradkorb transportieren kann - nur hätte dieser keinen allzu großen Anwendungsbereich.

Die Begriffe, die man eher anhand ihrer Definition ("intensional") verwendet, sind Fachbegriffe, die explizit per Setzung eingeführt werden und damit ihre "Willkürlichkeit" auch gar nicht verschleiern müssen - oder auf eine wissenschaftliche Begriffsgeschichte zurückblicken können. Dietrich Grünewald definiert einfach, was er unter einem "Prinzip Bildergeschichte" verstanden wissen will, und dann können wir anhand dessen schauen, ob wir etwas Neues oder Interessantes über Gegenstandsbereiche erfahren, auf die sein Begriff möglicherweise zutrifft. Das halte ich für sehr sinnvoll. Groensteen denkt sich "ikonische Solidarität" aus, benennt, was er darunter versteht, nun kann die Debatte beginnen! Für solche Fachbegriffe sind harte Kriterien und klare Definitionen nützlich und sinnvoll. Man würde daher auch nicht sagen, ein Fachbegriff wie "Fokalisierung" oder "Narrativität" ist "das, was darunter verstanden wird"; weil es auch keine "Fokalisierungs Con Germany", keine "fokalisierungsgate.de"-Rezensionsseiten und kein "Fokalisierungs-Regal" in der Buchhandlung gibt.

Das ist bei dem Terminus "Comic" natürlich anders. Der existiert ja bereits. Hier gibt es sogar viele professionelle Personengruppen (Künstler_innen, Rezensent_innen, Händler_innen, Herausgeber_innen, Messeleiter_innen, Druckereien, Vertriebe u.v.m.) die ein professionelles Interesse an ihrer jeweils eigenen Verständigung mit- und untereinander haben und dabei viele eigene ökonomische, strategische und politische Ziele verfolgen. Das ist nicht nur legitim, sondern auch unabdingbar. Eine solche Bezeichnung wird daher in den seltensten Fällen intensional (nach einer Definition, nach wessen auch?) verwendet werden, sondern eher extensional: man sieht, was ein "Comic" ist, daran, indem man sich anschaut, wie der Term (historisch, kulturell und sozial höchst wandelbar) verwendet wird. Mit Wittgenstein würde man von Sprachspielen sprechen, die immer schon am Laufen sind. Diese Spiele und ihre impliziten Regeln - die von Machtansprüchen und Hoheitskämpfen zwischen unterschiedlichen Akteursgruppen durchzogen sein werden, denn wie sollte es auch anders sein - kann man studieren, und das ist höchst aufschlussreich. Zumeist sind sie ja auch nicht ganz beliebig, sondern haben eine Prototypen-Struktur. Wenn man sich anschaut, wie der Terminus "Comic" verwendet wurde und wird, stößt man so auf interessante *typische* Muster, die sich aber auch drastisch verschieben können (Beispiel diagrammatische Webcomics wie XKCD, die nicht einmal mehr mit "Bildergeschichten" etwas zu tun haben, dennoch aber ganz klar unter demlr Bezeichnung "Comic" adressiert werden).

Was man zumeist nicht tun kann, ist, die normale Sprache zu regulieren; Vorschriften für all diese Sprachspiele und Verständigungspraxen zu machen, die innerhalb all unserer Akteursgruppen tagtäglich stattfinden. Im allerbesten Fall wäre ein solcher Regulationsversuch ambige und missverständlich: man müsste eigentlich immer mit angeben (wenn man etwa vom "Comic" spricht), ob man nun den (eher intensional regulierten) Fachbegriff oder den (eher extensional verwendeten) Alltagsbegriff meint. Und dann sind es eigentlich ja doch zwei Begriffe (mit der gleichen Bezeichnung), die man auch gleich so erkenntlich machen und voneinander unterscheiden kann. Das macht die Sprache dann tatsächlich klarer und verständlicher.

Mick Baxter
06.09.2018, 00:32
Viel besser, als es unter Scott McClouds Begriff "Sequentielle Kunst" möglich ist, der ja den Einbild-Strip mehr oder weniger willkürlich ausschließt.
Wenn dieses eine Bild keinen Bezug nimmt auf andere Einzelbilder mit den gleichen Protagonisten, ist es dann eben nicht einfach ein Cartoon? Sind die Einbild-Folgen von "Hägar" ohne Kenntnis der Figurenkonstellation der Serie überhaupt verständlich (IMMER verständlich)? Eine Definition, die das logisch zu trennen vermag, dürfte schwer zu formulieren sein.

Mick Baxter
06.09.2018, 01:03
Eine Definition könnte zum Beispiel auch das Herkunftsland des Produkts einbeziehen (bspw. Manga = graphische Narration aus Japan), eine andere Definition die Funktion (Comic = unterhaltende seriell produzierte und repzipierte Bilderfolge in Tageszeitungen), die Möglichkeiten sind hier Vielfältig und richten sich allein nach dem Zweck der Definition.
Eine Defintion, die das Herkunftsland einbezieht, KANN aber keine Definition für ALLE Comics sein. Und wenn nur in EINEM Land Comics gezeichnet/produziert würden, wäre das Kriterium sinnlos. Das ist dann wie Wirbeltiere und Stoffwechsel.


Vgl. Lukas Hinweis dazu, dass Definitionen Ausschließmechanismen sind. Es ist natürlich legitim, das so zu machen.

Natürlich ist es legitim. Aber wenn eine Definition mehr ausschließt als einschließt, was allgemein unter dem Begriff verstanden wird, darunter auch den schöpferischen Akt selber (http://www.icom-blog.de/showthread.php?254-Comics-Stehende-Figuren-und-massenhafte-Verbreitung&p=2459&viewfull=1#post2459), darf sie auch als bescheuert bezeichnet werden.

Stephan Packard
08.09.2018, 06:05
Definitionen dienen dazu, die Verwendung eines Terminus festzulegen. Sie sind also genau dann sinnvoll, wenn man angeben kann, wo diese Festlegung gelten soll.

Beispiele sind:

-- Jemand legt fest, wie er oder sie selbst den Terminus im eigenen Text verwenden wird, damit alle Leserinnen und Leser möglichst genau verstehen können, was er oder sie meint, wenn der Terminus in dem Text vorkommt.

-- Ein_e Herausgeber_in legt fest, wie alle Beiträger_innen zu dem herausgegebenen Werk einen bestimmten Terminus verwenden sollen.

-- Ein Gesetz legt fest, wann eine bestimmte Handlung im Sinne dieses Gesetzes eine bestimmte Straftat darstellt, und bestimmt damit, wie der Terminus u.a. vor Gericht verwendet wird.

-- Bei der Formulierung einer empirisch überprüfbaren Hypothese ('Gegenstände mit Masse ziehen einander an.') wird für die Überprüfung festgelegt, was genau gemeint ist ('Masse', 'anziehen'), damit man in jeder gemeinten Situation bestimmen kann, ob die Hypothese erfüllt ist, oder nicht (Da sind zwei Gegenstände mit Masse -- sie ziehen sich an!' 'Da sind zwei Gegenstände mit Masse -- sie ziehen sich nicht an!')

Verfolgst Du mit dem geplanten Beitrag eine entsprechende Absicht? Geht es Dir darum, dass Du besser verstanden wirst, oder dass alle Beiträger_innen zum COMIC!-Jahrbuch, oder alle Mitglieder einer anderen Gruppe, sich in Zukunft an eine bestimmte Definition halten? Willst Du überprüfbare Hypothesen formulieren?

Wenn nichts derartiges der Fall ist, wird eine Definition tatsächlich nicht zielführend sein.

Es lohnt sich, im Auge zu behalten, dass Definitionen ziemlich sperrige Instrumente sind. Man verwendet sie nur dort, wo man sich nicht darauf verlassen kann, dass sprachliche Kommunikation schon irgendwie funktionieren wird, weil alle Beteiligten einander halbwegs gut verstehen. Das führt unter anderem dazu, dass man bei Definitionen wirklich genau das meinen muss, was man sagt, und nicht das, was andere schon irgendwie trotzdem richtig verstehen werden. Du sagst zum Beispiel in einem Thread nebenan, dass Comics etwas sind, "was man sehen kann". Wenn man das wirklich als Definition ernst meint, verwandeln sich einige Gegenstände, die zuerst keine Comics sind, plötzlich in Comics, wenn ich meine Brille aufsetze. Wer in diesem Moment, wie ich auch, sagt: Das ist ja albern, so war das ja offensichtlich nicht gemeint!, drückt damit aus, dass er oder sie für diesen Bereich nicht mit Definitionen arbeiten will. Und hat Recht.

Unregistriert
08.09.2018, 19:51
Definitionen sind Beschreibungen. Sie dienen dazu, ein bestimmtes Gebiet abzugrenzen. Das ist ja auch ganz sinnvoll, wenn ich einem Laien den Unterschied zwischen illustriertem Text und Comic erklären möchte.

Was die Definition "des Comic" angeht, so verweise ich noch mal auf meine eigene, in der die Rahmenbedingungen und Randbereiche angesprochen werden. Es gibt zum Comic keine randscharfe Definition, und auch keine, die nicht zeitgebunden (zeitgenössisch) wäre.

eck@rt=

Mick Baxter
08.09.2018, 20:40
Du sagst zum Beispiel in einem Thread nebenan, dass Comics etwas sind, "was man sehen kann". Wenn man das wirklich als Definition ernst meint, verwandeln sich einige Gegenstände, die zuerst keine Comics sind, plötzlich in Comics, wenn ich meine Brille aufsetze. Wer in diesem Moment, wie ich auch, sagt: Das ist ja albern, so war das ja offensichtlich nicht gemeint!, drückt damit aus, dass er oder sie für diesen Bereich nicht mit Definitionen arbeiten will. Und hat Recht.

Jetzt finde ich die Diskussion langsam albern. Comics werden allgemein als Werke begriffen, die Bild und Schrift enthalten, ich habe noch nichts Anderslautendes gelesen. Bild und Schrift kann man sehen. Auf willst du also hinaus? Daß es manchmal dunkel ist und es Blinde und Sehbehinderte gibt?


Eine Definition könnte zum Beispiel auch das Herkunftsland des Produkts einbeziehen (bspw. Manga = graphische Narration aus Japan), eine andere Definition die Funktion (Comic = unterhaltende seriell produzierte und repzipierte Bilderfolge in Tageszeitungen), die Möglichkeiten sind hier Vielfältig und richten sich allein nach dem Zweck der Definition.
Das sind jedenfalls Kriterien, die man einem Comic meist nicht ansehen kann,

Eckart Sackmann
08.09.2018, 21:48
Comics werden allgemein als Werke begriffen, die Bild und Schrift enthalten, ich habe noch nichts Anderslautendes gelesen.

Dann lies es jetzt: Comics sind Erzählungen in Bildern. Schrift ist nur für die, die Bilder nicht lesen können. Sorry, nein, das ist zu albern.

eck@rt?

Stephan Packard
08.09.2018, 21:57
Jetzt finde ich die Diskussion langsam albern.

Sag ich ja.

Definitionen sind präzise, maximal sparsam formulierte Ausdrücke, und sie taugen nicht für beliebige Zwecke. Nochmal: Wofür soll die Definition gelten, die Du suchst? Welche Texte willst Du darauf festlegen, und warum? Solange das nicht klar ist, ist die Suche nach einer Definition Wortgeklingel.

Ganz anders ist es mit Beschreibungen, die sind nützlich; aber die beschreiben dann halt wahrheitsgemäß, dass ein bestimmtes Werk aus mehreren Bildern in Sequenz mit Text und ein anderes aus Bildern in Sequenz ohne Text und ein drittes aus einem Einzelbild besteht. Die Verwendung des Worts 'Comics' beschreiben sie ebenso wahrheitsgemäß dergestalt, dass manche Menschen nur das erste, manche das erste und zweite, manche alle drei "Comics" nennen. Entscheiden, wer Recht hat, kann man aus der bloßen Beschreibung nicht; dazu muss man wissen, was das Ziel sein soll.

Michael F. Scholz
09.09.2018, 00:24
Wie gesagt, ein historischer Überblick zur Begriffsgeschichte wäre interessant und auch nicht kontrovers.

Frank F. Greene (1941)
The Comic Strip is a skilled though simplified narration, by means of caricatured drawings, of events in progressive dramatic action – or of revelations – that culminate in a comical climax. … is usually presented in a series of daily episodes … The strip artist … plots his ideas in progressive action, develops his characters, and draws a comedy skit of several scenes every day.

Mick Baxter
09.09.2018, 07:35
Dann lies es jetzt: Comics sind Erzählungen in Bildern. Schrift ist nur für die, die Bilder nicht lesen können. Sorry, nein, das ist zu albern.

eck@rt?
Aber die Bilder kann man sehen. Und einige der Kriterien, die hier einige gern eingeführt wüßten, nicht oder zumindest nicht, wenn man nur den Comic/die Bilder vor sich hat. Stehende Figuren und massenhafte Auflage oder das Herkunftsland oder die Rezeption oder die Intention des Künstlers, ja selbst wer der Künstler ist kann man nicht sehen.

Stefan tut jetzt so, als hätte ich die Sichtbarkeit als einziges Kriterium für einen Comic aufgeführt und somit alles Sichtbare zum Comic erklärt. Dabei ging es um die Frage, was ich "für den Comic selber" halte, und das ist eben das, was ich beim Betrachten des Comics sehen kann.

Daß die Schrift in Comics nur ein Zugeständnis an die Blödheit der Leser ist, halte dann doch für sehr zugespitzt. Ich lese Comics ohne Text sehr ungern, bestreite aber nicht, daß es Comics sind.

Mick Baxter
09.09.2018, 07:36
Wie gesagt, ein historischer Überblick zur Begriffsgeschichte wäre interessant und auch nicht kontrovers.

Frank F. Greene (1941)
The Comic Strip is a skilled though simplified narration, by means of caricatured drawings, of events in progressive dramatic action – or of revelations – that culminate in a comical climax. … is usually presented in a series of daily episodes … The strip artist … plots his ideas in progressive action, develops his characters, and draws a comedy skit of several scenes every day.

Einiges hat Eckart ja schon hier (http://www.comicforschung.de/dtcom/dtcom08/7-16.pdf) aufgeführt.

Eckart Sackmann
09.09.2018, 09:48
Einiges hat Eckart ja schon hier (http://www.comicforschung.de/dtcom/dtcom08/7-16.pdf) aufgeführt.

Das "hier" stammt aus dem Band 2008 von "Deutsche Comicforschung". Wenn ich das jetzt noch mal lese, sehe ich, dass dort vieles beschrieben ist, über das wir uns hier im Forum noch den Kopf zerbrechen.

eck@rt=

Mick Baxter
09.09.2018, 10:08
Nicht das, um was mir eigentlich geht (http://www.icom-blog.de/showthread.php?254-Comics-Stehende-Figuren-und-massenhafte-Verbreitung&p=2522&viewfull=1#post2522).

Nämlich die einzelnen Definitionen nach ihren Schwächen und logischen Löchern zu hinterfragen (ich bin halt ein destruktiver Mensch und suche immer das Schlechte in einer Definition).

Es geht dabei nicht um Schwammigkeit (die muß sein), sondern um Widersprüchlichkeiten und einfach Unverständliches.

Wie bei Scott McCloud:


intended to convey information and/or produce an aesthetic response in the viewer.


Was will uns McCloud damit sagen? Schließt diese Einschränkung denn irgendwas aus?

Und was ist die "deliberate sequenz"? Eine absichtliche Sequenz in Abgrenzung zur unabsichtlichen?

Versucht nicht jede Kunst oder Gebrauchsgraphik, eine Information zu vermitteln und/oder im Leser eine ästhetische Reaktion zu erzeugen?

Und wie kann man, wenn man nun McClouds Definition folgen und ein Bildwerk "bestimmen" will, die absichtliche von der unabsichtlichen Sequenz unterscheiden?

Eckart Sackmann
09.09.2018, 13:37
Nämlich die einzelnen Definitionen nach ihren Schwächen und logischen Löchern zu hinterfragen (ich bin halt ein destruktiver Mensch und suche immer das Schlechte in einer Definition).

Mach das. Denk aber daran, dass auch die Geschichtsschreibung des Comic ihre Geschichte hat. Wenn du bei Kunzle oder McCloud Blödsinn findest, untersuche, inwieweit der Blödsinn sich aus der Stimmung der Zeit ergibt (z. B. die Forderung nach Massenmedien aus der starken Politisierung der 60er/70er Jahre). Das relativiert den Vorwurf, der Verfasser der Definition habe etwas "nicht richtig erkannt". Das macht auch den Unterschied zwischen einer Definition bei Kunzle oder der fast identischen bei Braun aus: Braun ignoriert einfach sämtliche Entwicklungen, nicht nur die des Comic, sondern auch die der Comicforschung. Das halte ich nicht für durchdacht, zumal man nach dem heutigen Wissensstand jeden seiner Sätze als Unsinn auseinanderpflücken kann.

eck@rt=

Lukas Wilde
10.09.2018, 07:50
Ich sehe da keine Abstraktion, sondern ganz praktisch: Ich frage dich "Ist das ein Comic?". Und dann kannst du nach Scott McCoud sagen: "Ja, das ist ein Comic. [...]". Oder du sagst: "Nein, das ist kein Comic [...]". Oder du sagst: "Das kann ich nicht sagen, ohne das ganze Werk zu kennen, zu wissen, wer der Urheber ist, was seine Absicht ist, in welchem Land das kreiert wurde und erschienen ist und wie die öffentliche Rezeption der Seite ist."
Du sagst es selbst sehr gut: es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, das hängt eben von meinem jeweiligen "Comic"-Verständnis ab. Wenn ich dieses Bild etwa als Werbeanzeige an einer Litfaßsäule vorfinde, würde ich klar sagen: Das ist Werbung, die sich einer gewissen Comic-Ästhetik bedient.

Im Manga-Bereich ist es im übrigen *völlig* selbstverständlich mittlerweile, "Manga" immer auch über Faktoren wie Genre, Leserschaft, Publikationswege, kulturelle Wertschätzung etc zu definieren, und alles, was dem typischen Manga nur (optisch) ähnlich sieht als "mangaesque" zu bezeichnen (habe ich die letzten Tage gerade wieder ca. 10 Vorträge zu gehört. Fast *niemand* würde heutzutage eine kontextfreie Seite wie die obige als "Manga" auffassen, ohne mehr über deine 3)-Faktoren zu wissen, das gilt für Künstler_innen ebenso wie Journalist_innen oder - erst recht - die Forschung. Gleichsam sieht sich sicher keiner in Japan als "Mangaka", der/die einfach nur privat Dinge zeichnet, die nie in einem entsprechenden Kommunikationskontext landen, das wäre völlig absurd).

Das kannst Du selbstverständlich anders sehen. Damit vertrittst Du eben einen anderen Begriff, wie gesagt. Zwingen kann man dazu niemanden, in keine Richtung. Wie auch?

Eckart Sackmann
10.09.2018, 09:30
Im Manga-Bereich ist es im übrigen *völlig* selbstverständlich mittlerweile, "Manga" immer auch über Faktoren wie Genre, Leserschaft, Publikationswege, kulturelle Wertschätzung etc zu definieren

Deswegen ist Comic ja auch Oberbegriff zu Manga. Außerdem ist Manga Teil eines Lebensgefühls, da schwingen in Definitionen immer auch Selbstdarstellungen (des Teilnehmers an diesem Lebensgefühl) mit. Bei Punk als Teil der Musik wäre es genauso. Dennoch lässt sich auch Punk nach denselben Regeln beschreiben wie ein Lied von Schubert.

eck@rt=

Lukas Wilde
10.09.2018, 11:22
Auch das hängt wieder von meinem "Comic"-Begriff ab, und erneut gibt es keinerlei zwingende Gründe für die eine oder andere Wahl. In den verschiedenen (internationalen) Manga-Szenen ist es sehr üblich, sich deutlich von "Comics" und "Comic-Leser_innen" zu differenzieren, was dafür spricht, dass unter "Comics" hier eben "westliche Comics" (definiert über Herkunftsland oder Stil) verstanden werden. Das erfüllt einen Zweck und hat eine klare Funktion, und für gewöhnlich kann man sich so auch ganz problemlos verständigen. Wer einen präziseren Fachbegriff gebraucht sehen möchte, kann Missverständnisse vermeiden, indem er/sie eben auch Fachbegriffe verwendet, keine solchen der Normalsprache, die bereits im täglichen Gebrauch zirkulieren (und daher notgedrungen unsauber, unpräzise, nach Familienähnlichkeiten, Sprachspielen und mannigfaltigen sozialen Interessen geleitet verwendet werden). Wie im anderen Thread bereits angemerkt, wäre sonst immer mit dazu zu nennen, ob man jeweils den Normalsprachenbegriff oder den terminus technicus meint, das macht die Verständigung ungleich schwieriger (oder zumindest langwieriger). Aber ja, sonst sind wir hier ganz der gleichen Meinung.

Eckart Sackmann
10.09.2018, 12:07
In den verschiedenen (internationalen) Manga-Szenen ist es sehr üblich, sich deutlich von "Comics" und "Comic-Leser_innen" zu differenzieren, was dafür spricht, dass unter "Comics" hier eben "westliche Comics" (definiert über Herkunftsland oder Stil) verstanden werden.

Ja, aber das ist die Blickrichtung (das Lebensgefühl), das ich meinte. Ein Vertreter der Mangaszene urteilt voreingenommen (was nicht negativ gemeint ist). Dennoch fällt ein Manga unter z. B. meine Definition des Comic, und zwar problemlos.

eck@rt=

Lukas Wilde
10.09.2018, 12:15
Dennoch fällt ein Manga unter z. B. meine Definition des Comic, und zwar problemlos.
Das würde niemand bestreiten, selbstverständlich!