Die Gewinner des ICOM Independent Comic Preises
Bester Independent Comic

"Das UPgrade" Band 1
von Sascha Wüstefeld und Ulf S. Graupner
(Zitty)

"Das Upgrade 1" ist ein vor Witz und Einfallsreichtum sprühender Unterhaltungscomic, gut recherchiert und liebevoll in handwerklich perfekten Bildern umgesetzt. Das Storytelling ist äußerst anspruchsvoll, inhaltlich auf verschiedenen Zeitebenen und zeichnerisch mit abwechslungsreichen Perspektiven und Schnitten. Die poppigen Zeichnungen und das grafische Konzept gehören zu dem Besten und Aufwändigsten, was in Deutschland jemals produziert wurde.

Das Künstlerteam Ulf S. Graupner und Sascha Wüstefeld pflegt einen gesunden Umgang mit seiner eigenen DDR-Vergangenheit; mit viel Humor und Liebe zum Detail, ohne dabei in Ostalgieverklärung zu verfallen.

Upgrade bedeutet eine Veränderung zum Besseren. Ein Upgrade der Gesellschaft von einer DDR-Diktatur zur freien Marktwirtschaft der Bundesrepublik. Ein soziales Upgrade der Lebensqualität, allerdings mit einem Fragezeichen versehen. Ganz sicher aber ein Upgrade des deutschsprachigen Unterhaltungscomics für alle Alters- und Interessengruppen, von welchen wir viel zu wenig haben. Wir konzentrieren uns oft auf unsere eigenen Comic-Fankreise und feiern uns nicht selten gegenseitig, ohne dass Außenstehende, die wir doch für das Medium Comic begeistern möchten, davon Notiz nehmen. Wir produzieren viel Kunst für einen kleinen geschlossenen Kreis. "Das UPgrade" ist vielleicht in der Lage, mehr Leser zu erreichen. Zu wünschen wäre es den Machern dieser Serie.

Sascha Wüstefeld und Ulf S. Graupner sind vielen bekannt als Zeichner von Mosaik, dem Sparkassencomics KNAX, Ritter Runkel, Mad Sonja (Disney) und vielen mehr. Sie gehören zu den besten Comiczeichnern in Deutschland und haben das Potenzial, auch international zu Stars zu werden.

Gerhard Schlegel
Bester Kurzcomic

„Adieu Kakapo“
von Max Fiedler
(in "Herrensahne XII")

"Der Sinn des Lebens" – das war das Motto, unter dem der erste "Comic-Clash" von "Mofa Mobo" und "Epidermophytie" ausgerufen wurde und über das sich Comicmagazine miteinander duellieren sollten. Max Fiedler stellt in seinem Beitrag für die zwölfte Ausgabe des Magazins "Herrensahne" einen Forscher in den Vordergrund, der auf einer einsamen Insel das Verhalten eines Kakapo-Männchens untersucht. Mit einem aufwändigen Balzritual versucht der Vogel Tag für Tag, ein Weibchen anzulocken. Die Mühen sind allerdings vergeblich, was das Mitgefühl des Forschers immer weiter steigen lässt – bis er erkennt, dass er und der Kakapo einiges gemeinsam haben und nun Konsequenzen daraus zieht.

Faszinierend ist die Möglichkeit, drei Enden zu entdecken und sich dadurch jeweils einen anderen Ausgang der Geschichte zu erschließen. Die Kurzgeschichte „Adieu Kakapo“ ist bedächtig geschrieben, sie lässt sich Zeit für ihre poetische, fast zärtliche Erzählung über zwei einsame Lebewesen, bei denen beide etwas voneinander lernen. Max Fiedlers Panelgestaltung und Farbgebung unterstreichen die melancholische Atmosphäre seiner Geschichte hervorragend. Und wer aus Douglas Adams‘ anrührendem Buch „Die Letzten ihrer Art“ zitiert (oder war es gar die Inspiration zu dieser Geschichte?), bekommt noch einen dicken Sympathiepunkt obendrauf.

Frauke Pfeiffer
Herausragendes Szenario

"Roxanne & George"
von Carolin Walch
(Reprodukt)

Es ist ein alter Fluch von Mischmedien wie Film, Theater, Oper, Ballet, Musical, Bilderbuch … und eben auch Comic, dass sie erst dann wirklich großartig sind, wenn alle ihre Bestandeile großartig sind. Ist nur etwas davon genial und der Rest unter Durchschnitt, ist das ganze Werk nur mäßig interessant, wenn nicht gar verdorben. Für unseren Bereich heißt das: inhaltlich vielleicht hoch interessante, dafür aber schlecht oder uninspiriert gezeichnete Comics haben selten viele Leser. Comics dagegen, die geniale Bildwelten erschaffen, aber inhaltlich nichts oder kaum etwas zu bieten haben, finden schon eher ihr Publikum – meist aber nicht für lange. Aus letzerem Grund sind toll gezeichnete Comics bei Verlegern trotzdem beliebter, auf den Inhalt wird seltener geachtet.

Was so schon lange international gilt, gilt in zunehmender Maße auch in der rapide steigenden Anzahl eigenständiger deutschsprachiger Comic-Publikationen. So mancher begabte Panelfüller wäre gut beraten sich einen (Co-)Autor zu suchen. Und das gilt, korrekt gegendert, auch für die entsprechenden –innen.

Manchmal aber da findet sich das zeichnerische und schriftstellerische Talent doch in einer Person vereint. Das ist dann stets ein seltener Glücksfall für das Mischmedium Comic. Carolin Walch ist so ein Glücksfall.

Mit "Roxanne & George" legt die 1982 in Pforzheim Geborene eine rundum gelungene Graphic Novel vor, die eben unter anderem auch besonders durch ihre Story und ihre Dramaturgie hervorsticht. Gezeichnet in einem eigenständigen Stil, dem man die Manga-Vergangenheit der Zeichnerin nur dann ansieht, wenn man konkret danach sucht, erzählt die Story angesiedelt zwischen Altrockern, ihren reichen Kokser-Kindern und deren Luxus-Leben in LA eine sehr persönlich gehaltene Story auf mehreren Ebenen. Die der alkoholisierten Rocker-Väter, die der koksenden Vogue-Kids, die der MTV-Reality-TV-Show, die ihrer aller Leben filmt … Aber eigentlich geht es dabei leitmotivisch vor allem um ein Thema: das der Freundschaft. In ihren vielen Aspekten, ihren Hochs und Tiefs. Walch erzählt mit vielen stimmungsvollen stummen Panels die Geschichte genau so wirkungsvoll, wie auf Seiten mit Dialogen. Diese sind denn auch da oft knapp gehalten und implizieren mehr an Subtext, als die wenigen Worte vordergründig vermitteln. Viele der Sprechblasen sind sogar nur verwehendes Party-Blabla der It-Kids oder Textfetzen der im Hintergrund laufenden Musik. So erhält man Einblicke in angerissene Biographien und menschliche Beziehungen, die man hinter Blicken und wenigen Worten eher ahnt als erzählt bekommt. Der Band geizt auch nicht mit komischen Momenten, etwa wenn sich einer der alten Rocker durch die laute Party seines Sohnes beim Schlafen gestört fühlt.

Fazit: rundum lesenswert.

Harald Havas
Herausragendes Artwork

"Mittagspause"
von Maike Plenzke
(in "Bettgeschichten", Zwerchfell)

Malerisch, verspielt, virtuos und ausdrucksstark und doch aufs Wesentliche reduziert. Das sind nur einige Beschreibungen, die dem Betrachter bei den Seiten von Maike Plenzke im Kopf herumschwirren. Häufig ist es auch einfach ein "Wow!"

Die gebürtige Berlinerin und Wahl-Hamburgerin lieferte bereits Beiträge für "Ballroom Blitz", "Panik Elektro 6" (Schwarzer Turm V), "A byoo-ti-ful day". 2012 machte sie vor allem mit der Kurzgeschichte „Mittagspause“ in der Anthologie „Bettgeschichten“ (Zwerchfell) und ihrem Beitrag zu „Neufundland“ von sich hören. In "Mittagspause" inszeniert sie geschmackvoll, einfühlsam und unzensiert ein erotisches, äußerst unterhaltsames Intermezzo. In "The meaning of life" (Neufundland) erzählt sie von einer romantischen, winterlichen Begegnung, die das Leben des Protagonisten verändern wird. Dabei kommt sie mit einer eigenen Bildsprache ganz ohne Worte aus und erzählt von einer winterlichen, ersten Begegnung.

Die Künstlerin, die sich auf Illustrationen spezialisiert hat, setzt bei ihren Comicseiten keinen Strich zu viel und komponiert ihre farbigen Werke mit Fingerspitzengefühl und einem Auge für richtige Kontrastgewichtung. Die Ergebnisse sind farbenfroh, ohne im negativen Sinne kitschig oder überladen zu wirken - so wie sehr gutes Artwork eben sei muss. Hinzukommt ein Gespür für Setting, Figuration und Atmosphäre, das sie wunderbare Geschichten erzählen lässt.

Mit ihrer Stilvielseitigkeit und ausdrucksstarkem Artwork ist Maike Plenzke eine außergewöhnliche Künstlerin, die sicher weiter von sich hören lassen und der Comicszene hoffentlich noch lange erhalten bleiben wird.

Anne Delseit
Sonderpreis der Jury für eine bemerkenswerte Comicpublikation

„Neufundland“
Herausgegeben von Jakob Schuh, Sebastian Koch, Sandra Brandstätter und Uwe Heidschötter


Anthologien leisten für die deutsche Comicszene einen nicht wegzudenkenden Beitrag. Sie sind wichtige Nachwuchsplattform, bieten aber auch etablierten Künstlern die Möglichkeit, sich bei den Lesern mit aktuellen, kurzen Werken in Erinnerung zu rufen oder etwas Neues auszuprobieren. Auch wenn die Konzeption und redaktionelle Betreuung sehr unterschiedlich ausfällt, entstehen immer wieder Werke, die man sieht und einfach haben muss. Es sind Ausgaben, deren Aufmachung schon auf den ersten Blick etwas Gutes verspricht und Leselust weckt, weil sichtlich Zeit und Mühe darauf verwendet wurden, den Betrachter anzulocken.

2012 war „Neufundland“, herausgegeben von Jakob Schuh, Sebastian Koch, Sandra Brandstätter und Uwe Heidschütter, eine solche Perle. Der Band, der ein Beitrag zum "Comic-Clash 2012" war und sich dementsprechend dem Thema „Der Sinn des Lebens“ widmet, wartet nicht nur mit zahlreichen talentierten Künstlern auf, sondern überzeugt vor allem durch die gelungene Umsetzung seiner redaktionellen Intention: Schaffenden aus der Animationsbranche eine Gelegenheit zum Comiczeichnen zu bieten. Alles scheint hier wie aus einem Guss, auch wenn alle Geschichten in ihren eigenen Universen spielen, die Stile unterschiedlich und inhaltlich nur durch das Leitthema verbunden sind. „Neufundland“ ist ein durchgestylter Publikumsmagnet, dessen Verpackung punktet und Inhalt hält, was er verspricht. Ein solches Gesamtpaket wünscht man sich öfter.

Anne Delseit