Jede Definition ist ihrem Wesen nach willkürlich, manche wirken nur "natürlicher" als andere. Mick Baxter, du suchst augenscheinlich nach einer ahistorischen (überzeitlichen) Definition, die möglichst viele historische (zeitspezifische) Formen 'graphischer Narration'* umfasst. Solche Definitionen kann man formulieren, sie müssen aber sehr viel Heterogenes umfassen und werden entsprechend vage. Ein Beispiel dafür ist McClouds berühmte Definition. McCloud wählt (willkürlich) die Form des Erzählens als Basis seiner Definition aus: mindestzahl von Panels, Bilder, ggf. Texte, in Kombination etc. pp. Dabei lässt er jedoch manches andere Kriterium weg. Eine Definition könnte zum Beispiel auch das Herkunftsland des Produkts einbeziehen (bspw. Manga = graphische Narration aus Japan), eine andere Definition die Funktion (Comic = unterhaltende seriell produzierte und repzipierte Bilderfolge in Tageszeitungen), die Möglichkeiten sind hier Vielfältig und richten sich allein nach dem Zweck der Definition. Es lohnt sich angesichts einer bestimmten Defintion immer zu fragen, warum sie genau so formuliert wurde, wie sie es wurde. McCloud zum Beispiel benötigt mindestens deshalb eine rein formale Definition, damit er (a) Inhalte und Akteuere ausblenden kann, (b) internationale Beispiele bringen kann (Manga, Comic) und (c) Phänomene unterschiedlicher historischer Provenienz einbeziehen kann. Das ist deshalb wichtig für ihn, weil sein Buch und mithin auch seine Definition politisch motiviert ist: Er möchte Comics nobilitieren, indem er sie zu einer Form stilisiert, die "künstlerisch" genutzt werden kann. Damit kann er übergehen, dass diese Form zum Zeitpunkt der Formulierung seiner Definition überwiegend gerade nicht "künstlerisch" genutzt wurde. Indem er "Comics" (als Kanne) von ihren Inhalten (als Getränk in der Kanne) trennt, muss er zum Beispiel nicht darauf eingehen, dass viele Comics erzählerisch und inhaltlich schrott sind. Vgl. Lukas Hinweis dazu, dass Definitionen Ausschließmechanismen sind. Es ist natürlich legitim, das so zu machen. Ich würde aber als Gegenposition entgegenhalten, dass viele Charakteristika von Comics entwickelt wurden, um bestimmte Inhalte graphisch darzustellen. (In meinem Buch über Musik im Comic habe ich versucht, das an wenigen Beispielen zu zeigen. Ein Buch zu weiteren Beispielen kommt demnächst.)

* Graphische Narration/graphic narrative ist ein Begriff, der in jüngerer Zeit als Oberbegriff herangezogen wurde, um darunter verschiedene historische Ausprägungen zu subsummieren. Er wäre womöglich einen eigenen Thread wert.