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Hybrid-Darstellung

  1. #1
    Christian Bachmann
    Gast
    Ich würde davon abraten, McClouds Definition in ihrer deutschen Übersetzung heranzuziehen. Die Übersetzung verkompliziert nämlich einiges, indem sie den Begriff "Zeichen" einführt. Im Original heißt es: "Comics are juxtaposed pictorial and other images in a deliberate sequence, intended to convey information and/or produce an aesthetic response in the viewer." Die Reichweite von "Zeichen" ist wesentlich größer als der von "images". Beide sind natürlich für sich genommen wieder erklärungsbedürftig. Das ist ganz grundsätzlich bei Definitionsbemühungen zu berücksichtgen: Integriert man in eine Definition andere komplexe Begriffen, müssen auch diese definiert werden. Sprachlich Äußerungen sind nie auf eine letztgültige Bedeutung zu fixieren, aber man sollte das im Rahmen einer Definition zumindest anstreben.

    Du schreibst: "Scott McCloud hat mit seiner Formulierung einer Definition in 'Understanding Comics' die Kriterien endlich auf die Comics selber reduziert und läßt solche, die mit dem Comic selber nichts zu tun haben, einfach weg".

    Meine Frage dazu wäre: Was ist "der Comic selber"?
    Ich kann z.B. ein Sonett wiefolgt definieren: "ein 14zeil. Gedicht, das sich aus 2 Vierzeilern [...] [Quartette] und zwei Dreizeilern [...] [Terzette] zusammensetzt. Quartette und Terzette sind in sich durchgereimt" (Metzler Literaturlexikon, Art. "Sonett", S. 432). Wie muss eine Definition für den Comic beschaffen sein, damit sie die gleiche Trennschärfe hat? Zum Vergleich die Definition des Romans aus dem gleichen Band: "Großform der Erzählunst in Prosa, die sich dadurch schon äußerlich vom Epos u. vom Vers-R. ebenso unterscheidet wie durch Umfang u. Vielschichtigkeit von ep. Kleinformen, insbes. von Novelle u. Kurzgeschichte." (Ebd., S. 394).
    Der begriff Roman bezeichnet eine derart komplexe Menge von Phänomenen, dass hier vornehmlich der Versuch unternommen wird, ihn ex negativo zu bestimmen, nämlich durch Abgrenzung von anderen Formen. Jetzt müssen aber alle diese anderen Formen erst einmal definiert werden, damit ich den Roman davon abgrenzen kann. Das Sonett macht es da viel einfacher: Es weist in seiner Grundform einen geringen Komplexitätsgrad auf, der mit wenigen, gut definierten Begriffen beschrieben werden kann.

    Nun könnte ich z.B. einen Daily Strip (tentativ) definiern als: "narrative Sequenz von in der Regel drei bis fünf Bildern, abgedruckt in einer Tageszeitung". "Comic", als Oberbegriff von Sunday, Daily, Heft, ... müsste ich dagegen eher definieren wie "Roman", scheint mir.

  2. #2
    Zitat Zitat von Christian Bachmann Beitrag anzeigen
    Meine Frage dazu wäre: Was ist "der Comic selber"?
    Der Text und die Zeichnungen (images jeder Art). Also "Das Prinzip Comic". Nicht zum Comic gehören die Urheber, das Trägermedium, die Art der Verbreitung und inhaltliche Aspekte wie Genre oder Bezüge zu anderen Comics. Das kann alles aufschlußreich sein, entscheidet aber nicht darüber, ob etwas ein Comic ist oder nicht.

  3. #3
    Lukas Wilde
    Gast
    Aber diese Setzung ist doch selbst vollständig willkürlich. Warum soll eine semiotische Ebene bestimmender sein als eine technisch-apparative oder eine institutionelle? Man bemerkt doch etwa, dass das zum Beispiel in gleicher Weise für "Theater" gar nicht möglich wäre; semiotisch könnten wir "Theater" überhaupt nicht von Kirchenpredigten oder Universitätsvorlesung differenzieren, das gelingt nur anhand der Institution bzw. der sozialen Rahmung. Was ein Medium "selber" ist (und nicht nur der "Kontext") lässt sich nicht anhand des Gegenstands sagen, sondern nur über beobachterabhängige Vergleiche, die nach bestimmten Zwecken getroffen werden.

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